Gartenlesung mit Michael Dick
Mutare Ensemble
Instrumente Branches von John Cage
Workshop mit Markus Hauke
Video-Installation Über die Zeit von Paul Bell
Hintergründige Stille
Spektakuläre Klangnacht „Über die Zeit“ zum Abschluss von open arts 2025
Die letzten verbliebenen 15-20 Zuschauer quittierten den insgesamt 13 beteiligten Künstlern und Künstlerinnen um Mitternacht nach 6-stündiger Performance im und um das gut besuchte Kunsthaus Wäldchen mit dankbarem, teils enthusiastischem Applaus ihre Anerkennung.
In einer denkwürdigen Veranstaltung waren gerade die letzten Töne einer Purcell-Streichquartett-Fantasie parallel zu den letzten Klavierklängen der Satie-Vexations aus dem im Parterre gelegenen Wintergarten verklungen.
An 5 Spielorten sowie im gesamten frühsommerlich angenehm temperierten Gartenbereich hatten Video-Installationen, Lesungen, Perkussion und Tanz sowie erlesene Streichquartette das Publikum kurzweilig in Atem im gehalten. Das schon erwähnte Klavierstück „Vexations“ (wörtlich: Ärgernis, Schikane, Kränkung), von Eric Satie, am 1. Juli 1925 vor 100 Jahren verstorben, in vier Zeilen und 839 Wiederholungen komponiert, wurde von den Gastgebern Dorothé R. Marzinzik und Daniel Diestelkamp selbst und der extrem einfühlsam musizierenden und sympathischen Kyoko Sawada (zusammen mit Dorothé R. Marzinzik auch noch im „Branches“-Trio aktiv), feinfühlig über die kompletten 360 Minuten mal auf der Empore des Studios, mal im Wintergarten zelebriert. Während des gesamten Abends war Satie gegenwärtig. Ob während der emphatisch gespielten Cage-Interpretation des Stücks „Four“ durch das Streichquartett mit Susanne Müller-Hornbach (Cello), Miho Kawai (Viola), Johannes Blumenröther und Nicolai Bernstein, Violine, oder während der ebenfalls von John Cage komponierten Child of Tree/Branches (Pflanzenmusik) mit Perkussion und Tanz, großartig: Bettina Tornau, oder während der Lesung von Texten aus dem Roman „Die Stadt der weißen Musiker“ von Bachtyar Ali durch Michael Dick, immer waren die schwebenden Akkordbewegungen der verminderten und übermäßigen Klänge vernehmbar. Auch während der überaus gut akzentuierten Werkeinführungen durch Gerhard Müller-Hornbach war das Piano zu hören. Der Schlagwerker Markus Hauke brachte schließlich auch die spektakuläre Klangskulptur auf der open-air-Bühne zum Beben, über der nach 22 Uhr auch das Landschaftsvideo „Über die Zeit“ von Paul Bell erstrahlte, einer Zeitlupen- und Zeitrafferstudie, aus der im Innenraum des Kunsthauses auch 4 gemäldegleiche Leinwandbilder zu bestaunen waren. Trotz der dynamischen Ausschläge vermittelte das Piano-Dauerkontinuum eine stetig wachsende friedliche Stille im ganzen Wäldchen. Wem die Zeit noch immer zu lang war an diesem wunderbaren Abend, konnte im kleinen Seminarraum den in einer Schleife laufenden 30-minütigen Dokumentarfilm: „Über die Berge zu meinen eigenen Wurzeln“ der Film-Regiestudierenden Janika Hampl aus Leuscheid bewundern, in dem über die Zeitdistanz von 50 Jahren eine Tochter den Fluchtweg ihrer Mutter über die slowenischen Berge aus der kommunistischen Tschechoslowakei zu Beginn der 60er Jahre mit dieser zusammen nachwandert, den Fluchtweg dokumentiert und ihre Gefühlswelten darüber offenlegt.
Eine Reise war diese Klangnacht, wie ein eigenes kleines Festival für sich, in der das Publikum wie auf einer Kunstausstellung einem Wege-Plan folgen und sich faszinieren und anregen lassen konnte. Dass das Streichquartett auch die Gelegenheit anbot, manche Stücke zweimal zu hören, z.B. das filigran gearbeitete Müller-Hornbach-Quartett (1985), entsprach ebenso wenig der normalen Konzert-Konvention wie der abschließende Cage-Workshop mit Rassel- und Naturinstrumenten, in dem das Publikum selbst aktiv wurde. Der mitlaufende philosophisch nachdenkliche Kontext des Ali-Romans, -ein Nachklang zur Lesung vom 19.06. -, in dem es um das Über-Leben des Menschen mit Hilfe der Künste im Kontext von Krieg und brutaler Unterdrückung geht, dargestellt an der Geschichte eines begabten Flötisten, nimmt mancher vielleicht fast bei-läufig zwischen den Orten des Geschehens mit. Aber Sätze wie „…Kunstwerke sind Spiegel dieser Augenblicke, die den Menschen mit der Ewigkeit verbinden“ oder „Wir können eine Melodie nicht zweimal auf dieselbe Weise spielen. Die Schönheit ist darum ein grenzenloser Ozean, weil der Mensch ihr auf immer anderen Wegen begegnet“, bleiben bei dem ein- oder anderen Besucher doch längerfristig hängen und lassen einen großartigen Abend, vielleicht auch im Nachwirken der Adagio-Klänge von Samuel Barber und der allerletzten Pucell- Zeilen, nachhaltig in Erinnerung behalten.
So verabschiedet sich open-arts für dieses Jahr. Fünf großartige Events mit gutem Besuch, großartigem Zuspruch -mit immer gutem Wetter- lassen Freude und Erwartung wachsen aufs nächste Jahr. Wie es zu open arts passt, hatte jeder Abend ein unterschiedliches Gesicht. Zwischen dem Pop-Rock-Abend mit Lina Maly und der Schlagzeugperformance der Französin Camille Emaille mögen vielleicht Welten liegen. Je aber vor allem für die Besucher, die interessiert auch sich offen für das Andere zeigten, waren magische Momente überall dabei. Im Sinne des Festivals für Menschen aller Generationen konnte auf hohem Niveau, wer mochte, an jedem Abend Wunderbares erleben.
Das Kunsthaus öffnet wieder die Pforten für open arts am 13. Mai 2026.
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